Gute Unternehmen aufbauen
Antikapitalismus
Ich vermute stark, dass sich das aus dem Gesamtkontext meiner Notizen ergibt, aber da diese Abgrenzung manchmal bewusst unscharf gehalten wird: Ich entlehne den Begriff „Antikapitalismus“ einem englischsprachigen Diskurs, in dem er von vielen Denker:innen, die ich spannend finde und in diesen Notizen immer wieder zitiere, auf ähnliche Art genutzt wird, wie ich ihn hier einführe. Ich stelle mich sehr bewusst und entschieden gegen die Kontexte, in denen dieser Begriff zum Beispiel in die verschwörungstheoretische Suppe von Corona-Leugner:innen oder Antisemit:innen hineingeschwurbelt wird.„Antikapitalismus“ nenne ich meinen Versuch, zu verlernen, was mir ein Leben im Kapitalismus, im Patriarchat und in kolonialistischen Strukturen beigebracht hat, in Strukturen also, die tief in einer binären und militärischen Kultur des Wertens, des Ausschließens, des Optimierens getränkt sind.
Das ist allem voran der Versuch, mehr und mehr wirklich beziehungsorientiert zu handeln, also aus Liebe und Verbundenheit zu handeln. Und zwar aus einer tief empfundenen Beziehung zur Erde und damit auch zur Menschheit insgesamt – nicht aus einer isolierten Liebe für mich und vielleicht noch meine Kernfamilie. In dem tief integrierten Wissen, dass ich dazu gehöre. Weniger aus dem Wunsch, Recht zu haben oder auf der „richtigen“ Seite zu stehen.
Das ist der Versuch zu lernen und einzuüben, wie ich mein Leben so gestalten kann, dass es so wenig wie möglich den Bedingungen der obengenannten Strukturen entspricht, und so viele Erfahrungen und Widersprüche, so viel Aufmerksamkeit und Präsenz und Geschichte und Gemeinschaft und Freude und Solidarität, so viel Freiheit und so viel Verantwortung wie möglich enthält.
Zum Beispiel auch der Versuch, langsamer zu arbeiten.
Zum Beispiel der Versuch zu begreifen, dass nichts in mir falsch ist. Nichts an mir muss richtig gestellt werden. Ich kann falsch liegen und falsch handeln, aber ich bin nicht falsch. Auch die Menschen um mich sind nicht falsch und sie müssen nicht richtig gestellt werden und niemand von uns muss Geld ausgeben, um richtiger zu werden.
Zum Beispiel mich zu fragen, bevor ich etwas Neues ausprobiere oder kaufe: Will mich das hier richtig stellen? Versuche ich hiermit etwas zu reparieren, was nicht kaputt ist? Mich dann daran erinnern: Nichts in mir ist falsch.
Zum Beispiel zu lernen, die Sachen, die tatsächlich kaputt sind, selber zu reparieren.
Zum Beispiel, indem ich das Anfangen feiere. Denn: Wie kann ich etwas Neues anfangen und darin „besser“ werden, damit wachsen und mich verändern, ohne mich durch die Scham von „nicht gut genug“ zu quälen? Indem ich Anfänge mag. Indem ich keine Zahlen beachte. Indem ich mich hindurchfühle.
Zum Beispiel durch ganz kleine Rituale und ganz kleine Praktiken.
Zum Beispiel durch den Versuch, antikapitalistisch zu arbeiten und weich zu denken.
Zum Beispiel, indem ich die Verantwortung übernehme für meine Ziele und für die Werkzeuge, die ich verwende.
Zum Beispiel, indem ich so weit für mich sorge, dass ich diese Verantwortung übernehmen kann. Ich füttere mich.
Zum Beispiel, indem ich mich immer wieder dafür entscheide, in meinem Körper zu sein und ihn zu spüren.
Indem ich mich dafür entscheide, dass es egal ist, wie das von außen aussieht.
Indem ich versuche, der Scham mit Neugier zu begegnen.
Indem ich bereit bin, das hier zu genießen und meine Freude daran zu zeigen.
Handel ist nicht gleich Kapitalismus
Handel ist das Tauschen, Kaufen und Verkaufen von Waren und Dienstleistungen.
Kapitalismus ist ein umstrittenerer Begriff, aber er bedeutet in allen Fällen mehr als reiner Handel und enthält einen Aspekt der Anhäufung von Macht und Geld bei bestimmten Einzelpersonen.
Handel und Märkte gibt es seitdem wir als Menschen Waren und Können austauschen, und es wird sie auch noch geben in einer postkapitalistischen Wirtschaftsform, in der Gewinnstreben und Ausbeutung nicht jede wirtschaftliche Handlung bestimmen.Markets have always existed. They will continue to exist in a post-capitalist world where exploitation isn’t incentivized and profit isn’t the end goal. – Business for the People
Diese simple Unterscheidung gibt mir den Mut und die Kraft, mein eigenes Unternehmen weiter zu einem Sozialunternehmen umzustrukturieren. Weiter daran zu arbeiten, dass ich mit anderen Menschen auf Augenhöhe, in vollständiger körperlicher und emotionaler Präsenz und in einem sicheren Raum, meine Produkte und mein Können tauschen kann. Dass diese Menschen dabei für sich sorgen und freie Entscheidungen treffen und ihre Bedürfnisse erfüllen können, dass ich dabei für mich sorge und meine Bedürfnisse erfüllen kann. Dass alle Beteiligten dabei höchstens Beziehungen anhäufen.
Kapitalismus
Kapitalismus ist einer dieser Begriffe, den alle irgendwie verstehen, aber den man nur schwer konkret definieren kann.
Hier meine Versuche:
Ich lehne mich mit diesem Versuch eines Festpinnens an die Definition von Erik Olin Wright in seinem Buch How to be an Anti-Capitalist in the 21st Century an: „(…) the distinct feature of a capitalist market economy is the ways in which private owners of capital wield power both within firms and within the economic system as a whole.“Kapitalistische Marktwirtschaft ist eine Wirtschaftsform, in dem der Handel, die Industrie und die Gewinne eines Landes von privaten Unternehmen kontrolliert werden und nicht von den Menschen, deren Zeit und Arbeit diese Unternehmen tragen. Sprich eine Wirtschaftsform, in der die Arbeit vieler Menschen wenige Menschen (extrem) reich macht. Diesen wenigen gehören die gesamten Produktionsmittel und sie können daraus privaten Profit ziehen und nach Belieben anhäufen. Vor allem neoliberaler Kapitalismus ist damit geprägt von Ausbeutung, davon, das Maximum aus einer Sache oder einem Menschen herauszuholen.
Im Gegensatz dazu steht zum Beispiel die kooperative Marktwirtschaft, in der gemeinschaftlich geführte Unternehmen ihre Gewinne an ihre Mitarbeiter:innen verteilen.
„our economics privatises profits and socialises risks“ – Zitat von Professor David Harvey in diesem Artikel Kapitalismus verlegt den Profit in den privaten Bereich und die Risiken in den gemeinschaftlichen Bereich (wie wir zum Beispiel während Corona allzu deutlich erkennen können).
Kapitalismus ist außerdem eine Kultur, eine Haltung, die diesen Grundgedanken der Ausbeutung („Optimierung“) ebenfalls in den privaten Bereich trägt, und wirtschaftliche Grundsätze (zum Beispiel Kosten-Nutzen-Abwägungen oder Fragen danach, ob und was jemand verdient habe) auf Beziehungen zwischen Einzelpersonen.
David Graeber in Revolution in ReverseThe things we care most about — our loves, passions, rivalries, obsessions — are always other people; and in most societies that are not capitalist, it’s taken for granted that the manufacture of material goods is a subordinate moment in a larger process of fashioning people. In fact, I would argue that one of the most alienating aspects of capitalism is the fact that it forces us to pretend that it is the other way around, and that societies exist primarily to increase their output of things.
siehe auch meine Definition von Antikapitalismus beziehungsweise eines antikapitalistischen Unternehmens, sowie wie fühlt sich der Kapitalismus an? und Handel ist nicht gleich Kapitalismus
antikapitalistisches Unternehmen
„I am not satisfied with the world, so I add to it. My desires are on display. What I make I love and hate.“ — Lynne Tillman, aus der Geschichte Madame Realism Lies Here in This is Not ItMeine (sehr persönliche und nicht wissenschaftliche) Definition eines antikapitalistischen Unternehmens ist: Ein Unternehmen, das sich der kapitalistischen Logik widersetzt und aktiv versucht, eine alternative, beziehungszentrierte Form des Wirtschaftens zu leben.
„Der andere Kapitalismus ist eigeninitiativer Kapitalismus. Du eignest dir die Ökonomie an und gestaltest sie.“ – aus einem Gespräch zu Wolf Lotters Buch „Zivilkapitalismus“Dazu gehört die Haltung, sich dem Kapitalismus – trotz aller grundlegender Strukturen, die er unmissverständlich schafft – nicht ausgeliefert zu fühlen. Stattdessen nutzen antikapitalistische Unternehmer:innen wirtschaftliche Werkzeuge, um ihre nicht-kapitalistischen Werte zu leben und zu verbreiten.
Siehe auch mein soziales Preismodell und dieses Interview mit mir zum Thema „Gemeinwohl über Gewinn – Wie kann ein antikapitalistisches Business aussehen?“.
Beispiele für antikapitalistische Wirtschaftsansätze
- Kooperative Marktwirtschaft, zum Beispiel gemeinschaftsgetragene Unternehmen
- Gemeinwohlökonomie
- Wirtschaftsdemokratie
siehe auch die Seele der Welt retten (anstatt white saviour zu sein)
Sozialunternehmen
Meine Definition: Ein Sozialunternehmen ist ein Unternehmen, das versucht, aktuelle soziale Probleme unternehmerisch zu lösen, das sich dabei als Teil eines dichten gesellschaftlichen Gewebes begreift und das Wohlergehen der Lebewesen dieser Welt und ihrer Umwelt als oberste Priorität setzt.
Ein Sozialunternehmen wird betrieben von Menschen, die begreifen, dass sie nicht in einem Vakuum agieren und dass sie außerhalb des gesellschaftlichen Geflechts nicht bestehen könnten. Sie handeln explizit antirassistisch, antisexistisch und aktiv gegen jede weitere Form von Diskriminierung und Benachteiligung. Sie sind offen für neue Menschen und Ideen; sie haben keine Angst vor Konkurrent:innen, sondern arbeiten aktiv daran mit, dass ihre Ideen weitergetragen, umgewandelt und umgesetzt werden.
Ein Sozialunternehmen erzielt zwar Gewinne, stellt aber die Schaffung sozialer Mehrwerte über das Anhäufen finanzieller Gewinne. Es gibt darin keine Investoren, an die Gewinne ausgeschüttet werden müssen, es gibt keine haltlosen Unterschiede in Lohnzahlungen (zum Beispiel zwischen verschiedenen Geschlechtern oder zwischen Führungskräften und Produzierenden). Es ist ein Unternehmen, das nicht nur an heute oder dieses Geschäftsjahr denkt, sondern mindestens dreißig Jahre weiter.
In vielen Fällen sind Sozialunternehmen auch antikapitalistische Unternehmen – jedoch würden sich viele nicht selber so nennen.
Ich versuche derzeit, mein eigenes Unternehmen noch viel deutlicher zu einem Sozialunternehmen umzugestalten.
Wie sieht eine nachhaltige Website aus?
Je länger unsere Websites brauchen, um geladen zu werden (= je „fetter“ sie werden, also je mehr hochaufgelöste Bilder sie zum Beispiel enthalten), umso mehr Strom verbrauchen sie – und erhöhen damit den CO₂ Fußabdruck des Internets. Das passiert in vielen Fällen unnötigerweise, da zum Beispiel diese großen Bilder oft keine inhaltliche Aussage haben, sondern rein dekorativ, weil „man das eben so macht“.
Ideen für eine nachhaltigere Website
- Keine unnötigen Bilder einsetzen
- Benötigte Bilder kleinrechnen
- Weniger Schriften mit einbinden
- Weniger aufwändige Ergänzungen einbinden (zB JQuery statt reinem Javascript)
- Weniger Videos und Audio Dateien mit einbetten
Inspiration
Mein Nachdenken über ressourcenschonende Websites wurde vor allem angeregt vom Low-tech Magazine. Die Website dieser Zeitschrift ist ein solarbetriebener und selbstgehosteter Blog. Hier und hier gibt es weitere Details zu diesem Projekt, und hier einen ausführlichen Artikel zu Sustainable Web Design.
Wie gestalten wir das Internet nachhaltiger?
Das Internet ist nicht nur ätherisch und körperlos. Es besteht auch aus Gegenständen (Servern, Kabeln, Klimaanlagen, Rechenzentren, Computern, Smartphones) und diese Gegenstände, ihre Herstellung und ihr Betrieb brauchen Strom. siehe zum Beispiel hierDer CO₂-Ausstoß des Internets ist in etwa so hoch wie der internationale Flugverkehr.
„Although none of these options may sound attractive, it’s important to note that setting a limit would not stop technological progress. Advances in energy efficiency will continue to give room for new devices and applications to appear. However, innovation will need to happen within the limits of energy efficiency improvements, as is now the case with cars and mobile computing devices. In other words: energy efficiency can be an important part of the solution if it is combined with sufficiency.“; siehe hierHandeln müssen (wie immer) vor allem Regierungen und große Unternehmen. Zum Beispiel durch Umstellen auf Ökostrom, wobei das vermutlich nicht weit genug greift, da Ökostrom den riesigen Bedarf des Internets nicht decken und keine durchgehende Verfügbarkeit sicherstellen kann. Eine bessere Alternative könnte es sein, die Geschwindigkeit des Datenverkehrs zu drosseln oder den Preis für Energiekosten zu erhöhen.
Außerdem könnten Nutzer:innen:
- ihre eigenen Websites ressourcenschonend gestalten
- weniger Filme und Serien streamen, und mehr DVDs anschauen
- Musik ohne Videos streamen, wenn nur Musik gebraucht wird, oder wieder mehr CDs und Kassetten und Schallplatten hören
- mehr Mails löschen, sich von ungenutzten Newslettern abmelden und weniger Mails versenden
- weniger googeln
Aber: Diese Ansätze fühlen sich für viele Menschen vermutlich an wie ein Verbot und führen zu Scham und / oder aggressivem Trotz, und damit lässt sich kaum positive Veränderung vorantreiben. Genau deshalb sind vor allem die Regierungen und die großen Unternehmen gefordert, Strukturen aufzubauen, die von vornerein ressourcenschonender sind.