Andere Menschen arbeiten für mich
Manche Menschen dürfen schreiben, denken, predigen, einstellen und kündigen, Gesetze verabschieden, verkaufen, planen, forschen, verteidigen, unterrichten, tanzen, malen usw., weil andere Menschen ihre Existenzgrundlagen sichern.
„Ein jedes Leben, das sich in völliger Entfremdung von diesen Arbeiten auf Bühnen, in Parlamenten und Verwaltungsbüros abspielt, schreibt sich in die Gesetze ein und in das, was wir für „normal“ halten, also das, was uns zusteht.“ – Markus Ostermair
Weil Landwirte ihr Essen erzeugen. Weil Menschen in Fabriken ihre Kleidung nähen. Weil Menschen auf Baustellen ihre Steine stapeln. Weil ihr Müll von anderen Menschen abgeholt wird, weil ihre Pakete von anderen Menschen gebracht werden. Weil ihre Alten und Kleinen und Kranken von anderen Menschen gepflegt werden. Weil Sexarbeiter:innen und Therapeut:innen und Menschen in Nagelstudios sich um ihre emotionalen Bedürfnisse kümmern. Weil Obdachlose von Sozialarbeiter:innen zumindest grundversorgt werden, weil Polizist:innen Unruhe eindämmen.
Ich kann meine Arbeit nur deshalb tun, weil andere Menschen bestimmte Arbeiten für mich erledigen.
Und niemand zwingt mich, das anzuerkennen, das täglich zu begreifen und zu bedenken. Ich kann es einfach vergessen, jeden Tag auf’s Neue.
Selbermachen (Dann nähe ich mir halt alles selbst!) ist eine ungenügende Antwort, wenn auch oft verlockend. Denn der Impuls, sich komplett selbst zu versorgen, ignoriert die Quasi-Unmöglichkeit, das heute zu tun, und es ist höchstens eine individuelle Rettung aus einem moralischen Dilemma, das nicht das eigentliche Problem ist.
(Auch deshalb ist es so wichtig, Selbstfürsorge als gemeinschaftliche Arbeit zu begreifen.)
Dankbarkeit ist eine ungenügende Antwort, denn sie ändert nichts daran, dass Entscheidungen getroffen werden, während die anderen Arbeiten erledigen.
Richtige Repräsentanz und eine direktere Demokratie ohne dicke Lobbies könnte eine Antwort sein, Vorstellungskraft und Empathie ist immer eine Anwort, oder: Hier gibt es keine Antwort, nicht in den Strukturen, in denen wir aktuell leben, oder: gemeinschaftliche Fürsorge als Modus, nicht nur als Antwort.