So will ich leben
Hier: Schwankende Überzeugungspflanzen, pulsierende Prinzipien, gesammelte Herangehensweisen, Ansätze, Versuche, Manifestchen, Manifest. In Zeiten größerer Ernsthaftigkeit noch „Meine Arbeitsprinzipien“ genannt, jetzt muss ich darüber ein bisschen kichern.
„Nur dann bin ich wahrhaft frei, wenn alle Menschen, die mich umgeben, ebenso frei sind wie ich.“ – Michail BakuninIch versuche, immer weniger an ein individuelles Selbst zu glauben, das sich alleine versorgen und trösten und leben kann, ich lasse immer mehr zu, dass ich die Fäden spüre und sehe, die mich mit allen anderen verknüpfen.
Gleichzeitig freue ich mich darüber, dass ich mir selber oft ein guter Spielkamerad bin. Dass wir (ich und ich) zusammen kichern können. Ich will hören, was für andere wahr und lebendig ist und ich will hören, was für mich wahr und lebendig ist.
Ich will mir die Welt aneignen. Nicht als kulturelle Aneignung natürlich, sondern als Kompostiermodus, in dem ich das, was mir vorgesetzt wird, erstmal durch mich filtere, durch meine Erfahrungen und Erinnerungen und Werte und Verbindungen, und es dabei für mich verständlich mache, es umbaue oder integriere oder verdaue oder eben auch nicht.
Was wir tun, hat Konsequenzen. Alles ist angewandt. Alles ist politisch. Alles ist verknüpft. Ich bin für große Zugänglichkeit und große Sicherheit und weiß, dass wir das in einer guten gelebten Praxis manchmal austarieren müssen.
Ich halte nichts zurück, ich nutze alles, was in mir ist. Ich kann vermischen, was in meiner Nähe ist. Mehr Spielzeuge als Werkzeuge.
Wir sind alle genug. Reparatur ist nicht nötig. Keine:r von uns ist kaputt. Ich habe genug (und vieles davon unverdient). Ich bin bewusst und täglich dankbar für alles, was ich habe. Ich versuche, großzügig zu geben.
Ich kann immer das Spielen wählen, das Experimentieren, das Improvisieren. Ich lasse mich von Freude und Neugier leiten. Ich mag meine Unvollkommenheit. Ich kann Fehler machen und falsch liegen, das macht mich nicht falsch.
Ich bin niemals fertig und mache trotzdem weiter. Ich erwarte nicht von mir, dass ich jeden Tag die exakt gleiche Menge und Güte von Arbeit leiste. Ich vertraue in die Kraft von vieltausenden Schritten und feiere auch den kleinsten. Ich weiß Pflegearbeit zu schätzen und gebe ihr Raum und Zeit.
Ich versuche in Möglichkeiten zu denken, mit weicher Logik. Ich muss mich nicht entscheiden und alles ist in Bewegung. Ich mache Raum für das Seltsame, das Weirde, das Schräge, das Unklare. Schwammigkeit willkommen. Ich bin für Üppigkeit und Vielfalt und Komplexität, mehr als für Klarheit.
Gefühle gehören dazu, wollen gesehen und gefühlt und vielleicht besprochen werden (und nicht nur meine Gefühle). Ich bin bereit, mit meinem Unbehagen, meiner Unsicherheit und meiner Verwirrung zu sitzen und aus ihnen zu lernen, ich bin bereit, meine Wut zu nutzen. Ich bin bereit, präsent zu sein.
Körper gehören dazu, wollen gesehen, mitgedacht, geschätzt, gepflegt und bewegt werden (und nicht nur mein Körper). Bedürfnisse sind keine Probleme. Ich bin nicht hinterher. Ich vertraue mir vollständig.
Ich stelle Beziehungen in den Mittelpunkt, so offen und weich wie möglich. Ich traue anderen zu, dass sie mit ihren Gefühlen sitzen können. Das ist kostbar und schwer, und so werden wir die Menschen, die wir sein wollen.
Ich darf vollständig erscheinen, kein Teil von mir muss draußen bleiben. Was ich an mir akzeptiere, kann nicht gegen mich verwendet werden.„Nothing I accept about myself can be used against me to diminish me.“ – Audre Lorde
Lieber tiefer, weicher und langsamer als höher und schneller. Es ist mehr um uns und in uns, als wir benennen oder zeigen können. Ich bin bereit, hin zu schauen. Von hier aus weiter.