Hier ist ein Winter.
Wie trage ich den Winter wie einen Mantel?
Wie nehme ich den Winter wie ein Bad?
Der Mantel sieht aus wie das Haus in Finnland, in dem ich im allerletzten Zipfel der alten Zeit einen Monat verbringen durfte. Es ist hier oft hell tagsüber, mit langen schrägen Sonnenstrahlen, die sich durch das Wohnzimmer und in die Küche strecken, über das hellblau gestrichene Holz und die Flickenteppiche.
Wobei das erst das Ende des Winters ist, davor kommt ein dunkleres Haus, ein samtiges Sofa, Schaffell und Kissen, Feuer, das ich lesen lerne.
Dieser Winter trägt aufwändige Flechtfrisuren, aus denen immer zu viele Haare herausragen.
Dieser Winter, wie jeder andere auch, hat Krähen. Und rote Beeren an leeren Büschen.
Dieser Winter ist ausgestattet mit Broten, dieser Winter isst Schrift. Brote mit verzierten Rücken und tierischen Beinen, mit Zöpfen und Schleifen und prallen Buchstaben, aufgegangen bis beinah zur Unkenntlichkeit. Dieser Winter isst sie, um lesen zu lernen.
Wie misst dieser Winter Zeit?
Vor mir liegen weiße Stoffreste, von der Muschelnachbarin. Aus denen will ich ein Quilt nähen, von Hand, ich weiß noch nicht, durch wie viele Winter mich das tragen wird.
Wie trägt dieser Winter die neuen Buchstaben in die kommenden Monate?
Dieser Winter beobachtet Güterzüge und quietscht dabei vor Freude.
Bei den dicken Suppen bin ich noch nicht mal angekommen.
Seitdem ich (dank der Zeit in Finnland) eine enge Freundschaft zu einer Person in Neuseeland habe, ist mein Tag auch immer ein bisschen Nacht, und meine Nacht auch immer ein bisschen Tag, mein Winter auch etwas Sommer, mein Sommer auch etwas Winter. Ich wache morgens auf und habe Sprachnachrichten und Fotos eines erlebten Tages auf meinem Telefon, und wenn ich Nachrichten aufnehme, dann mit dem Gefühl, ich würde sie Ellie in die Träume hinein flüstern.
So sagte mir Ellie nach der Sauna immer gute Nacht: See you on the other side.
Senka schrieb neulich in den Rand des Manuskripts der Tante Alles, dass Träume zur Biographie gehören, und diesen Gedanken mag ich sehr.
Hier ist eine große Menge meiner Träume.
Dieser Winter ist ein Schutzraum. Er trinkt Tee.
☼
Hier sind meine neuen Notizen:
- Eine nützliche Frage, um Ungerechtigkeit sehen zu lernen: Wer profitiert davon?
- Ich bin derzeit etwas besessen davon, wie unreflektiert Martin Luther verehrt wird und was er tatsächlich für erschreckende Texte geschrieben hat
- Deshalb wünsche ich mir, man würde Straßen nach Naturphänomenen benennen anstatt nach Menschen (ich würde auf jeden Fall lieber im Gewitterweg wohnen wollen als in der Luthergasse)
- Hier habe ich mir, ausgehend von unseren Erfahrungen in den Online-Kursen im November, Gedanken gemacht, wie wir einen sicheren gemeinschaftlichen Raum halten können
- Und hier habe ich gesammelt, was ich unter hochsensibel verstehe und wann das für mich nützlich ist