Diese Frage stellte uns Alexander in einem Workshop, und sie rüttelt seitdem auf schöne Art an mir. Hier ist eine Frage: Für wen machst du das?

Eine Frage, die, wie die meisten guten Fragen, nicht mit einer falschen oder einer richtigen Antwort kommt.

Ansonsten bin ich im Moment vor allem müde. So müde, dass ich mir eine außerplanmäßige Pause verschrieben habe, in der ich vor allem merke, wie müde ich wirklich bin. Aber auch, wie leicht es mir fällt, glücklich zu sein, wenn ich es mir erlaube.

Das Kind, die Freundin und ich haben eine Manege gebaut.

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Ich mag es, Welten aus Sand zu erschaffen.

Ich mag Fragen. Ich mag den Wind. Ich mag die Sonne-Regen-Mischung, ich mag es, mich ein paar Tage um einen Garten zu kümmern und zu sehen, wie alles explodiert, auch wenn ich fast nichts mache. Ich mag dieses Lied, ich mag  Comics, ich mag jeden Tag Unmengen von Salat, weil er eben explodiert, das gesamte Gesicht in eine Pfingstrose stecken, meine neuen, endlich wieder kurzen, Haare. Ich mag, dass es in einer Pause gar nicht so lange braucht, bis ich meine Projekte wieder mag, auch wenn sie mir davor so fern erschienen. Ich mag meine ganzen offenen Tabs, meine gesammelten PDFs, die irre Recherche, die Bücherstapel, das Chaos in meinen Notizbüchern und Sammelbecken, das aber in sich auch eine Art von Ordnung hat, es kreist um bestimmte Muster, Themen und Ansätze tauchen immer wieder auf, ich kann meiner Neugier vertrauen.

Ich mag meine Freund:innen, wie wir auch um bestimmte Muster, Fragen, Gewohnheiten kreisen, wie wir uns gegenseitig anstecken und bewegen und halten.

Die Müdigkeit in mir ist alt. Ich bin müde von 16 Jahren Selbständigkeit, über 2 Jahren Pandemie, dem vierten Monat eines Krieges, der sehr nah ist, müde vom immer doch nochmal Hoffnung schöpfen und es weiter versuchen, müde von den Versuchen, mich um mich selbst zu kümmern und gleichzeitig für die anderen zu sorgen, müde vom dauernden Tun und Reparieren und Aufbauen und Umdenken.

Eine Kassette aus einer Verschenkekiste bei mir um die Ecke kassette-klein.jpeg

Gleichzeitig, in dieser Pause, spüre ich so schnell, dass ich eigentlich eine glückliche Person bin, dass mein Urvertrauen in die Welt immer noch da ist. Dass ich irgendwie nicht anders kann, als die Menschen als solche zu lieben, die Menschheit zu lieben, die Welt zu lieben, dass da der Schmerz herkommt und die Müdigkeit, aber eben oft auch die Kraft.

Man hört sich selber viel mehr sein, wenn man so ein paar Tage alleine ist. Und nach der Schicht Müdigkeit kam die Glücklichkeit kam die Müdigkeit kam die Traurigkeit kam Leonhard Cohen kamen die Russisch Übungen kam die Müdigkeit.

Ich bin fast zu müde zum Schreiben dieses Briefs, aber ich will mir Zeit und einen Behälter schenken. Die Routine dieser Briefe schenkt mir Zeit und einen Behälter. schreibt Mindy Seu in diesem ArtikelBuilding relationships between things is a form of authorship too.

Für wen mache ich etwas? Für mich heute, mich in der Zukunft, für die anderen heute, für die anderen in der Zukunft, für eine bestimmte Person um mich, für die Menschen im Raum, für die Menschen in meinem Kopf, für uns alle?

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Ich verstehe immer mehr, dass unsere Welt gleichzeitig völlig zerschunden und wunderschön ist. Diese Verstehensprozesse dauern länger als ich jemals dachte, aber sie sinken in ihrem eigenen Tempo in mich ein.

Ein Haltegriff, einer von vielen, wie die Vögel und der Wind und die Manege: Ich will das Chaos reiten, in a state of grace, nicht die Welt zurechtrücken.

Hier sind Tantenneuigkeiten, denn die Tante ist immer noch da und ich mag sie immer noch.

Ich habe eine Notiz geschrieben zum Sprechen über Fehlgeburten, und warum ich das wichtig finde. Mit Beispielen von Menschen, die über Fehlgeburten sprechen und schreiben auf eine Art, die mich berührt und getragen hat. 

Ich habe ein Interview gegeben, in dem ich mit Alicia Metz über die Entstehung des Buches spreche, über die Mischform aus Prosa und Lyrik darin, wer die „Tante Alles“ eigentlich ist und was für eine Familie ich mir inzwischen geschaffen habe.

Menschen haben das Buch gelesen und schöne Sachen dazu gesagt, was mich sehr dankbar macht. Die Literaturkritikerin Beate Tröger hier im Signaturen Magazin zum Beispiel:

[Die Rolle der Tante] ist ein Status, der mit der „Freiheit sich zu verschwenden“ ebenso ausgestattet ist, wie mit der „Freiheit sich zu binden“. Es ist ein Status der Anarchie, der Schrulligkeit, der die Polarität von Nähe und Abstand häufig ins Bewusstsein holt.

Dincer Gücyeter vom Elif Verlag beschreibt die Tante als eines der Bücher, das ihm in letzter Zeit neue Welten geöffnet hat:

so selten kommen in lyrik humor und tiefe zusammen. ricarda kiel hat etwas schneidiges, ohne umwege baut sie neue oasen, wo leser:innen neue perspektiven entdecken, den blick auf die andere seite richten können. jeder wird in diesen gedichten vieles aus eigenem leben finden, dieser dünne band ist auch ein kosmos, hat viele schichten (…)

Und in der Folge 39 des Literatur-Podcasts Blauschwarzberlin liest die Buchhändlerin Maria-Christina Piwowarski sehr schön aus der Tante vor.

Das hier: für dich und für mich.
Ricarda