Praxis
Meine lose Eigendefinition von angewandter Arbeit ist: Ich möchte dass das, was ich erschaffe, in das Leben anderer Menschen integriert werden kann, und ich interessiere mich für die persönlichen und politischen Wirkungen meiner Arbeit.
Das ist bei mir, glaube ich, schon sehr lange so, und deshalb landete ich nach der Schule an der Goldschmiedeschule und beim Schmuck, der mich weiterhin beschäftigt (wenn auch zurzeit wenig praktisch).
Vor der Ausbildung hatte ich verschiedene Kunsthochschulen angeschaut, unter anderem auch eine Klasse für Illustration, und ich weiß noch genau, wie ich das einer anderen Person erzählte und sie leicht angewidert das Gesicht verzog und sagte „Das ist aber angewandt“.
Eine der vielen Wurzeln also für mein Gefühl, die Praxis und das Angewandte immer verteidigen zu müssen, immer wieder klar zu machen, dass das auch gilt, mein Handwerk neben der „hohen, reinen“ Bildenden Kunst und mein alltagsnahes und erfahrungsverankertes Schreiben neben der „hohen, reinen“ Theorie der Geisteswissenschaften.
Inzwischen ist mir viel klarer, dass alles alles sein kann, dass es mir auf die Haltung einer Arbeit oder einer Handlung ankommt und dass mich Labels einfach nicht interessieren. Was mich in allen Bereichen vor allem interessiert, ist die Praxis – ohne dass ich damit die Abstraktion oder die Theorie oder die Stille abwerten will, die ich natürlich auch mit aufsauge und die natürlich ihren Wert haben.
„Praxis is the process by which a theory, lesson, or skill is enacted, embodied, or realized. To me it essentially means living the lessons I hold important. Not to just recite them in my head, but to show up to them with concrete action.“ – Annika Hansteen-IzoraPraxis ist der Prozess, bei dem Gedanken, Vorstellungen, Theorien in der Wirklichkeit angewandt werden. Es ist das Tun, es ist das werdende Muskelgedächtnis, es ist Erfahrung, es ist raus aus dem Kopf und in die Hände, auf die Straße.
Praxis ist für mich beziehungsorientiert – es ist angewandt, weil es einen Platz in einem Leben einer anderen Person einnimmt und einnehmen soll, weil ein anderer Mensch verwenden kann, was ich gemacht, entwickelt, gedacht habe.
Ich mag die Reibung, die im gemeinsamen Ausprobieren liegt, die Fragen und Themen, die direkt und organisch auftauchen, wenn etwas konkret wird. Manchmal liegt mehr Freiheit in der gemeinsamen Praxis als im Ausdiskutieren.
Ich mag, dass „Praxis“ auch ein Ort bedeutet. In dem Körper Platz finden.
Und ich mag, dass im Englischen in diesem Begriff auch gleich das Üben (practicing) steckt, das betont, wie sehr Praxis ein dauerhafter Prozess ist und kein abzuhakendes Ziel.
siehe auch Arte Útil und mir sind die Verben wichtig