Sprechen und Schreiben über Löffel

Virginia Woolf

Holz ist ein erfreulicher Gegenstand. Er stammt von einem Baum; und Bäume wachsen, aber wir wissen nicht, wie sie wachsen. Sie wachsen jahrelang, ohne sich um uns zu scheren, auf Wiesen, in Wäldern und an Flüssen - lauter Dinge, an die man gerne denkt. Unter ihnen wedeln die Kühe an warmen Nachmittagen mit dem Schwanz.

In diesem Radiobeitrag spreche ich mit Carolin Krahl und Tina Klatte von Radio Corax in Halle über das Schreiben im Radio, die Gestaltung der PS #6 und ich lese einen Löffeltext als Hör-Essay, ab etwa Minute 55:

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ladling something voluminous and wet – aus SPON von Barn the Spoon ladling.png

Meine Schulter schmerzt von den ersten Schnitzversuchen, von einem Tag, den ich nur in der Werkstatt verbracht habe. Bin ich wohl nicht mehr gewohnt.

Beim Duschen dann Überlegungen, wie das wieder zu richten ist.

Dann der Gedanke von einem Freund von mir: Diese ganze Unversehrtheit des Körpers ist ein bürgerliches Ideal. Ein Bauer, eine Bäuerin hat ihren Körper einfach als Werkzeug eingesetzt und als der Körper fertig war, war fertig.

„Jeder Mensch muss sich verschleißen. Wenn man noch gut ist, wenn man stirbt, ist das Verschwendung. Man muss lebendig zu Asche verbrennen, nicht erst im Tod.“ – aus diesem FilmDann der Gedanke an Beuys, der lacht und sagt er müsse sich verschleißen, sonst wäre er ja am Ende noch gut, das wäre doch sinnlos.

neue-hobbies.png neue HobbiesEs ist eine intensive Erfahrung, wieder komplett Anfänger:in zu sein. Das gibt schön Demut, und ein sehr klares Bild davon, wie ich mir selber Anleitungen und Lernmaterial wünsche.

Das Wichtigste dabei ist wieder einmal die Erfahrung, dass ich irgendwann vom theoretischen Lernen in’s Tun kommen muss.

Ich habe inzwischen gute Informationen, gutes Werkzeug, einen passabel ausgestatteten Raum. Jetzt muss ich meine Widerstände überwinden, aufstehen vom Computer und den ganz Videos und Anleitungen, rüber gehen in die Werkstatt und die Axt in die Hand nehmen. Das funktioniert vielleicht noch nicht gut, weil mein Axtblock zu niedrig ist und mein Holz schon zu trocken oder ich den völlig falschen Baum erwischt habe oder ich die richtigen Bewegungen einfach noch nicht eingeübt habe.

Aber wie soll ich sie denn lernen, wenn ich sie nicht übe?

Ich bin mir sicher – irgendwann, und meistens sehr viel früher als wir glauben, haben wir unsere Basis-Ausstattung beisammen und müssen es einfach ausprobieren.

Müssen peinliche erste Löffel mit Löchern drin schnitzen. Um dabei festzustellen, dass wir in diesem praktischen Prozess meist schon so viel lernen, dass es alles schon gar nicht mehr so peinlich ist.

Wir sind nicht „irgendwann so weit“. Wir sind bereits jetzt vollständig und müssen nicht erst repariert werden.

Wir sitzen meist auf Ressourcen, die wir kaum angekratzt haben.

Ein Mal raus gehen mit der Säge und dem Beil im Rucksack, zwei kleine Baumteile abtrennen und nach Hause bringen und anfangen, sie zu behauen, und meine Hände tun weh und meine Arme tun weh und der Löffel ist krumm wie noch was und es macht mich über die Maßen FROH.

Ich habe geschnitzt diese Woche. Das war meine Wahl aus dem Repertoire, und die war toll, und ich mag, wie sich ganz langsam und eher nebenbei und ohne Druck dieses Lebenshandwerk weiterentwickelt. Wie ich mich freue, dass ich den Reinheitsanspruch der Minimalisti-Schnitzer abgeschüttelt habe, dass ich immer hemmungsloser auch mal mit Sandpapier mir was glatt schleife, klar weiß ich, wie es „eigentlich geht“ oder gehen müsste, aber ich will Spaß und schöne weiche Löffel haben, nicht Recht.

Meisterschaft als Ziel fühlt sich für mich immer weniger verlockend an, und das wiederum fühlt sich nicht an wie ein Einrichten in einer Art von Mittelmäßigkeit, sondern ein Einrichten in meiner Freude. Ich blühe auf, wenn ich viele verschiedene Dinge ausprobieren kann, wenn ich Techniken lerne und Skills und Gedanken aus den verschiedensten Ecken verknüpfe, ich bin gerne am Anfang. Und ich kann vertrauen auf mein Spiralisieren, ich komme ja doch zu den meisten Dingen immer wieder zurück, so wie in diesen Wochen wieder zu den Löffeln und dem Schnitzen, und ich finde es so geil, dass ich die Basics inzwischen so weit raus habe, dass ich mich jetzt hinsetzen und an einem Tag einen Löffel machen kann, und dass der mir dann oft auch ganz gut gefällt und ich vor allem gleich wieder so viel mehr weiß über den nächsten Löffel. Und ich will einfach nur, dass das bleibt, dass ich am Schnitzen Freude habe und von Löffel zu Löffel etwas passiert; wie perfekt oder meisterhaft die am Ende sind, wie elegant mein Herstellungsprozess ist, interessiert mich für mich selber so gut wie gar nicht.