WAS ÜBER MICH ERZÄHLT WIRD (oder erzähle ich das)

eine souveräne Sonne die Tee säuft
ein Hacker vorm Herrn
ein Sticheln auf jeder Haut
die weirdeste Brille durch die du schauen kannst
planvoll bis über die Planken da quillt’s
vor Struktur Kinde seines Vaters eine Frucht
wirklich aus dem gleichen Holz geschnitzt
ein Löffel für alle
das will wirklich einen Löffel für jeden
machen und jede und jedes und hat so viel
Sprache dass die auch immer quillt &
flickt gern die alten Stoffe
es mag den Moment wenn ein Stoff dünn wird
und von einem zweiten unterstützt wird
und von mindestens hundert reiskorngroßen Stichen
die alle aus einem Faden kommen
Verstärkung ist gut & doppelt hält besser &
wenn das eine durchs andere scheint ist das
doch das Schönste was uns passieren kann
(diesen Punkt will ich in die Hand nehmen &
wie eine knatternde Fahne flattern lassen)

WAS ÜBER MICH ERZÄHLT WIRD

ich bin schön & groß
ich habe ein einsnullabi
ich kann schwimmen wie ein profi
ich bin profi
ich bin verheiratet
ich bin anarchist
ich bin weiblich
ich bin eher männlich
ich bin süß
ich bin herb
ich kümmere mich & die sonne geht auf
ich schwitze schon auch mal
ich will immer am höchsten springen
ich will immer alles wissen
ich bin nervtötend besserwisserisch
ich trinke keinen alkohol
ich hab keinen zugang zu meinen gefühlen
ich mag keine affirmationen
ich bin viel zu pc viel zu stadt viel zu anstrengend
ich halte mich für zwanzig & denke ich kann jederzeit alles an mir verändern
ich hab immer so pointen auf denen was enden soll

WAS ÜBER MICH ERZÄHLT WIRD

ri hat ein atelier ri hat ein patenkind ri will alles haben ri tut so als hätte ri alles & kennte ri alles & beträfe es alles ri weiß schon viel aber macht halt auch viel fehler ri will den außenblick abschütteln aaah hilfe 
ich will nicht weiter von außen auf mich schauen
aber das könnten alles federn sein
mit denen ich mich schmücke
das könnten meine verzierungen sein
was ist die lustigste lüge über dich
was ist der beste gossip über dich
was würde ich wollen
dass die erzählen und was wäre wenn
ich darauf einfluss nähme
wenn ich so täte
als könnte
ich das

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Die drei Texte oben sind entstanden bei einer Schreibübung, die Kathrin im ersten Workshop des Schreibmonats angeleitet hat, ausgehend von Elke Erbs Gedicht „Was über mich erzählt wird“.

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Wie fast alle im Workshop vorgelesenen Schnipsel zu diesem Thema sich mit Gender beschäftigten, es ist eben doch die ganz große Erzählung über uns.

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Wie sehr Selbstbetrug auch etwas Schönes hat, dann erzählt man sich halt so lange eine bestimmte Version des eigenen Lebens, bis man selber daran glaubt.

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noch eine Workshop-Ankündigung: Im September darf ich auf Rügen bei einem Yoga-Retreat ergänzende Schreibräume schaffen, um die Abdrücke der Zeit zu sammeln und um uns einen Talisman zu schreiben, der uns in dem Übergang zwischen Sommer und Herbst begleitet. Ich freue mich da sehr darauf, und du kannst mitmachen; hier mehr dazu!

Außerdem neue Notizen: Meisterschaft versus Bisschenschaft. Ein Repertoire, um täglich daraus zu schöpfen. Immer wieder die Scham und ihr Abschütteln. Tagebuch schreiben. Microdosing. Und eine Handreichung zu meiner Genderqueerness.

Bis später!
Ri